Alles, was ihr wollt, dass euch die Leute tun sollen, das tut ihnen auch. Matthäus 7,12

 

Diese Leitlinie für unser Verhalten nennt man auch die „goldene Regel“. Bekannter ist die volkstümliche Negativfassung: „Was du nicht willst, dass man dir tu, das füg auch keinem andern zu.“ Doch Jesus formu­lierte es positiv. Was will ich denn, dass mir die Leute tun sollen? Ein Zeitgenosse drückte das folgenderma­ßen aus:
„Ich will, dass du mir zuhörst, ohne über mich zu urteilen. Ich will, dass du deine Meinung sagst, ohne mir Ratschläge zu erteilen. Ich will, dass du mir vertraust, ohne etwas zu erwarten. Ich will, dass du mir hilfst, ohne für mich zu entscheiden. Ich will, dass du für mich sorgst, ohne mich zu erdrücken. Ich will, dass du mich siehst, ohne dich in mir zu sehen. Ich will, dass du mich umarmst, ohne mich zu erdrücken. Ich will, dass du mir Mut machst, ohne mich zu bedrängen. Ich will, dass du mich hältst, ohne mich festzuhalten. Ich will, dass du dich näherst, doch nicht als Eindringling. Ich will, dass du mich be­schützt, aufrichtig. Ich will, dass du all das kennst, was dir an mir missfällt. Dass du es akzeptierst, ver­such es nicht zu ändern. Ich will, dass du weißt ... dass du heute auf mich zählen kannst ... bedingungslos.“ (Jorge Bucay, geb. 1949)

Aber Jesus sagte: „... das tut ihnen auch.“ Da wird es schon schwieriger. Alles das, was ich will, dass mir die Leute es tun, soll ich auch ihnen tun. Bemerkens­wert finde ich noch den Nachsatz von Jesus. „Das ist das Gesetz und die Propheten.“ Er meinte also: Wer die Thora (das Gesetz) und die Worte der Propheten beachtet, der bleibt dann auch ganz selbstverständ­lich innerhalb des Raumes, den die goldene Regel absteckt.

Du möchtest gegrüßt werden? Dann grüße du auch die Menschen, mit denen du zusammentriffst. Du willst geachtet werden?
Dann erweise auch anderen Menschen Achtung. Wenn du morgen oder übermor­gen als Fußgänger sicher über die Straße kommen willst, dann gib - wenn du heute als Radfahrer oder Autofahrer unterwegs bist - allen Fußgängern die­selbe Chance.

Das kann man nun beliebig fortsetzen und auf alle Bereiche übertragen. Das Leben in einer Gemein­schaft kann nur gelingen, wenn wir zum Konsens bereit sind, zu Übereinkünften, zu Spielregeln, auf die sich alle verlassen können.

Ich will, dass du mich so annimmst, wie ich bin. Jesus hat das bedingungslos getan.

Gerhard Mellert

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