Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten. 2. Mose 20,16

 

Im Radio hörte ich wiederholt den Bericht, Lance Armstrong, der langjährig erfolgreiche Radsport-Pro­fi, habe nun doch gestanden, Dopingmittel genom­men zu haben. Kommentatoren fragten sich, wie es möglich war, dass er immer geleugnet hatte, sich durch Medikamente leistungsfähiger gemacht zu haben und nun doch endlich zugegeben hatte, dass er nur mit diesen Mitteln wiederholt Sieger der Tour de France werden konnte. Ob er gedacht hatte, er schade ja niemandem, wenn er das Doping leugne? Oder meinte er, alle würden Dopingmittel nehmen, dann sei es legal, das ebenfalls zu tun?

Die Wahrhaftigkeit scheint schwierig zu sein. Wir wollen in möglichst gutem Licht vor anderen daste­hen und ärgern uns zugleich, wenn hinter unserem Rücken schlecht, unwahr oder verleumderisch über uns geredet wird. Oder haben die anderen unsere Worte nur falsch verstanden oder unterstellen sie uns unlautere Motive? Jesus hatte damit zu kämpfen, dass die religiösen Verantwortlichen seiner Zeit ihm nicht glaubten, der Sohn Gottes zu sein, und ihn mit falschen Zeugen­aussagen anklagten, um ihn aus dem Weg zu schaf­fen (vgl. Mt 26,59-60).

Oft verwischen sich die Konturen zwischen Fakten und Deutungen - zwischen dem, was wir lesen, hören und sehen, und dem, was wir daraufhin über andere denken. Das eigene Bild bestimmt unsere Reaktion oft mehr als die Fakten. Selbst, wenn wir nicht alles sagen, was wir wissen - und das hilft oft schon viel, um Menschen zu schützen -, kann eine halbe Wahr­heit eine ganze Lüge sein. Mit Auslassungen können die Einlassungen von jemandem dazu führen, ent­lassen zu werden. Paulus schrieb: „Legt die Lüge ab und redet die Wahrheit, ein jeder mit seinem Nächs­ten, weil wir untereinander Glieder sind.“ (Eph 4,25)

Gott schützt mit seinem Gebot den Ruf und die Ehre eines Menschen. Und wir sollen heute mit unse­ren Mitmenschen ehrlich sein und den Ruf und die Ehre unseres Nächsten schützen. Das lohnt sich für beide Seiten: Unser Mitmensch freut sich, und der eigene Ruf wird gefördert.

Herr, schenke mir heute den Mut, ehrlich zu sein, selbst wenn ich dadurch Nachteile habe. Gib mir einen klaren Blick dafür, was mich antreibt. Lass mich auf die Ehre und den guten Ruf der anderen achten.

Gerhard Wagner

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