Als nun Judas, der [Jesus an die Hohenpriester] überliefert hatte, sah, dass er verurteilt wurde, reu­te es ihn.

Matthäus 27,3 (Elberfelder Bibel)

 

Schon viele haben überlegt, welche Beweggründe Judas gehabt haben mag, seinen Meister an die Hohenpriester auszuliefern („verraten“ ist nicht das richtige Wort dafür). Hatte er höhere Absichten oder spielte Geldgier eine Rolle? Wollte er auf seinen Meis­ter Druck ausüben, damit dieser endlich seine wahre Macht im Sinne der damaligen Messiasvorstellung als Befreier von den Römern zeigte?

Als Jesus sich widerstandslos zum Tode verurtei­len ließ, brach die Vorstellungswelt von Judas zusam­men. Im Andachtstext heißt es, dass es ihn „reute“. Mit anderen Worten: „Das habe ich nicht gewollt!“ Das Geschehen war ihm entglitten, er hatte es nicht mehr im Griff. Wer hatte ihn da als Werkzeug be­nutzt? Er war nur Handlanger gewesen, bezahlt mit 30 Silbermünzen. Aber ihn reute nicht seine Tat als eine Sünde, ihn reute nicht das Leiden, das er seinem Herrn zugefügt hatte, sondern er bedauerte nur die Folgen seiner Tat.

Manchmal verstehen auch wir uns nicht mehr. Wir haben Pläne gehegt, nur Gutes gewollt, aber die Sache ist uns missglückt. Wir bedauern, uns überhaupt dar­auf eingelassen zu haben. Wir bereuen unser voreili­ges Handeln, unsere Aktivität. Wir versuchen unser Innenleben zu ergründen, aber wir verstehen über­haupt nichts mehr. Wie konnten wir nur ...!

Welche Beweggründe können wir zum Beispiel für unser Handeln haben? Sind es Sympathie oder Liebe oder wollten wir nur besonders anständig oder pflicht­bewusst sein? Oder dachten wir vielleicht nur an unseren eigenen Vorteil? Geht es um unsere Ehre oder sind es Angst, Abneigung oder gar Hass? Noch viele andere Motive können bei unserem Tun im Spiel sein, die die Menschen neben uns ja nicht erfahren. Nur Gott allein kennt die Gründe, warum wir etwas tun. Und genau diese müssen wir neben unseren Taten und Worten vor Gott verantworten. Denn die Heiligung unseres Lebens schließt auch die Heiligung unserer Beweggründe ein! Auch das Halten der Gebote kann aus religiöser Gewohnheit oder Anständigkeit, aus Pflichtgefühl oder aus Angst geschehen.

Erst wenn Gott unsere Beweggründe reinigt und unser Herz mit seiner Liebe erfüllt, gewinnt alles einen Wert in seinen Augen.

Heiner Lachmann

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